Sind Autobahnbauten in Zeiten der Klimakrise noch sinnvoll?

Nein. Es ist vollkommen klar, dass das Mobilitätsbedürfnis der Menschen in Zukunft nicht mehr mittels privatem Autoverkehr gestillt werden darf, will man das Pariser Klimaziel einhalten und die Klimakatastrophe verhindern. Es geht darum, Verkehr zu vermeiden, zu verlagern und verträglicher abzuwickeln. Das heißt z.B. „Stadt der kurzen Wege“, „Schiene statt Straße“ und E-Mobilität in Kombination mit Carsharing Modellen statt fossiler Mobilität. (in dieser Reihenfolge).
In diesem Szenario sind neue Autobahnen und Schnellstraßen nicht mehr nötig.

Warum genau ist die Lobau-Autobahn schädlich fürs Klima?

a) Selbst die Asfinag berechnet in den UVP-Unterlagen, dass durch den Lobau-Tunnel rund 60.000 Autos täglich fahren würden. Mit den entsprechenden zusätzlichen CO2-Emissionen.

b) Die Lobau-Autobahn beschleunigt die Zersiedelung und schwächt die lokale Wirtschaft, immer mehr Menschen werden zu PendlerInnen. Entlang der Autobahn würden im Nordteil der Trasse neue Einkaufszentren und Fachmärkte entstehen (auf NÖ-Gebiet). Dadurch würde massiv Kaufkraft aus Wien abgezogen und die Wiener Wirtschaft geschädigt werden. Viele Wiener würden dorthin einkaufen fahren (SCS-Syndrom) und damit erst wieder zusätzlichen Autoverkehr in der Donaustadt erzeugen. Dieser so erzeugte Verkehr ist in den Berechnungen der Asfinag noch gar nicht enthalten. In einer Studie der Stadt Wien wurde die Variante mit der aktuellen Trassenführung daher auch als „Speckgürtelvariante“ bezeichnet.

c) Bei der Zementherstellung (Bestandteil des Betons) entsteht jährlich rund 2,8 Milliarden Tonnen CO2– das sind rund acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Für die Errichtung der Lobauautobahn und des Tunnels sind große Mengen an Zement notwendig.

Beton und Asphalt sind die größten CO2-Emittenten in der Bauindustrie. Beton aufgrund des Brennens von Klinker, Asphalt aufgrund des Produktes Bitumen (Reste aus der Erdölraffinierung).

Wie hängen Stadtautobahn und Lobau-Autobahn (Lobau-Tunnel) zusammen?

Die sogenannte “Stadtstraße” ist völlig überdimensioniert und ist mit der Lobau-Autobahn (S1) verbunden. Auch deshalb sprechen wir oft von einer Stadt-Autobahn, denn: Mit vier Spuren und nur einer einzigen Kreuzung handelt es sich dabei in Wirklichkeit nicht um eine übliche Straße in einer Stadt, sondern eben um eine vierspurige Autobahn. Diese aufgeblasene Planung lässt sich nur dadurch erklären, dass die Stadt-Autobahn auch den Verkehr der Autobahnabfahrt von Raasdorf nach Wien aufnehmen soll.
Wie ist es dazu gekommen? In den Nuller-Jahren war geplant, die A23 von der Anschlussstelle Hirschstetten über die jetzige Trasse der geplanten Stadt-Autobahn bis zu Lobau-Autobahn bei Raasdorf zu verlängern.
In den Koalitionsverhandlungen 2010 konnten wir ausverhandeln, dass diese Verbindungsstraße zu einer einfachen Straße zurückgestuft wird. Daraufhin wurde die A23-Verlängerung Hirschstetten – Raasdorf aus dem Bundesstraßengesetz im Nationalrat gestrichen. Der Bund erklärte sich im Gegenzug dazu bereit, der Stadt Wien € 231,6 Million für die Errichtung einer einfachen Straße auf dieser Relation zu zahlen.
2011/12 verhandelte jedoch die SPÖ Wien mit der roten Verkehrsministerin aus, dass von Raasdorf bis knapp östlich des Seestadt eine lange Autobahnabfahrt von der Lobau-Autobahn von der Asfinag gebaut werden soll („S1-Spange Seestadt“) und nur der Rest bis zur A23 bei Hirschstetten als stadtverträgliche Straße von der Stadt Wien gebaut werden soll.
Danach wurde die Stadtstraße immer mehr aufgeblasen, bis sie die heutigen Dimensionen erreicht hat. Mit vier Spuren und nur einer einzigen Kreuzung ist sie jetzt autobahnähnlich dimensioniert. Für die Funktion einer Verbindung der Seestadt zur Südosttangente ist sie viel zu groß dimensioniert. Diese Dimension erklärt sich nur dadurch, dass sie auch den Verkehr der Autobahnabfahrt von Raasdorf nach Wien aufnehmen soll.

Wie geht es mit der “Stadtstraße” weiter?

Obwohl der Lobau-Tunnel gestoppt wurde, hält die Wiener Stadtregierung unter Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) an diesem Projekt fest. Im Februar 2022 wurde das Protestcamp gegen die Stadtstraße gewaltsam geräumt, und seitdem rollen die Bagger. Bis 2026 soll diese vierspurige Straße fertiggestellt werden – ein Projekt, das über eine halbe Milliarde Euro kostet und wertvolle Böden versiegelt. Die Stadtstraße wird fälschlicherweise als lokale Erschließungsstraße dargestellt, obwohl sie in Wahrheit eine autobahnähnliche Infrastruktur ist. Sie zerstört fruchtbare Böden und bringt keine nachhaltigen Lösungen für den Verkehr in der Donaustadt. Stattdessen führt sie uns zurück in eine Beton-Vergangenheit, während Wien dringend eine echte Verkehrswende braucht.

Was sind unsere Grünen Alternativen zu Stadtautobahn und Lobau-Autobahn?

Wir wollen einen massiven Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und eine kleinräumige, flächendeckende Parkraumbewirtschaftung in ganz Wien. Diese beiden Maßnahmen haben in der Studie der Expert*innen 2017 (im Auftrag von Maria Vassilakou) auch die besten Effekte für eine Verkehrsberuhigung in der Donaustadt gezeigt. Die jetzt geplante Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung im März 2022 ist leider nur eine halbe Sache, weil das falsche Modell angewandt wird.
Lies hier oder hier mehr über unsere Vorschläge zum Öffi-Ausbau in der Donaustadt.

Braucht es die Stadtautobahn wirklich, um Wohnungen in der Donaustadt zu bauen? 

Es stimmt zwar, dass der Nordteil der Seestadt erst ausgebaut werden darf, wenn es eine hochrangige Straßenverbindung zur A23- Südosttangente und zur S1-Lobau-Autobahn gibt (laut Bescheid der städtebaulichen UVP). Diese Verknüpfung im Bescheid kann durch einen Abänderungsantrag im Zuge der UVP aber auch leicht wieder geändert werden – das haben wir schon seit Jahren verlangt. Das wollte die Stadt Wien aber nicht, um ein Druckmittel für den Bau der Stadtstraße in der Hand zu haben. Diese Verknüpfung betrifft auch nur Wohnungen für rund 10.000-15.000 Menschen im Nordteil der Seestadt und nicht Wohnungen für 60.000 Menschen, wie die SPÖ fälschlicherweise behauptet.

Im September 2023 hat nun die Entwicklungsgesellschaft, die Wien 3420 AG einen diesbezüglichen Änderungsantrag zum UVP-Bescheid für die Seestadt Nord eingereicht. Es darf damit gerechnet werden, dass diese unsägliche Verknüpfung demnächst aufgehoben wird.

Mehr dazu in diesem Standard-Artikel.

Warum sind die Grünen Wien gegen die Stadtautobahn (Stadtstraße), obwohl sie die Tangente und Wohngebiete vom Autoverkehr entlasten soll?

Es ist nicht richtig, dass die Stadtautobahn Tangente und Wohngebiete vom Autoverkehr entlastet.
Es wird behauptet, dass durch die Nordostumfahrung (Lobau-Autobahn) pro Tag 77.000 Fahrzeuge weniger über die Tangente fahren werden. Die SPÖ vergleicht dabei Äpfel mit Birnen. Die Zahlen stammen vermutlich aus dem Bericht der ExpertInnengruppe zur S1- Donauquerung 2017 (s. Grafik ganz unten). Hierbei werden zwei Prognosen für das Jahr 2030 miteinander verglichen. Einmal ohne jegliche Maßnahmen (261.000 Autos/Tag) und einmal mit fertiggestelltem Regionenring (S1-Lobau-Autobahn, die Stadtstraße und die S1-Spange Seestadt) plus einer ÖV- Ausbauoffensive und einer kleinräumigen, flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung in ganz Wien (184.000 Autos/Tag).

Der Großteil der Verkehrsentlastung geht dabei aber auf die Kappe von ÖV-Ausbauoffensive und Parkraumbewirtschaftung. Denn die 2030er-Prognose für die Variante Regionenring (ohne ÖV und Parkraumbewirtschaftung) kommt auf 232.000 Autos/Tag. Das entspricht exakt dem Bestand auf der Tangente im Jahr 2015. Allerdings würden durch den Lobau-Tunnel täglich zusätzliche 73.000 Autos fahren.

Für die Entlastung der Wohngebiete und eine Anbindung der Seestadt an die Tangente würde eine klein dimensionierte neue Straße völlig ausreichen. Außerdem gab es von Seiten des Bezirksvorstehers der Donaustadt bisher keinerlei Anzeichen, den Verkehr in den alten Ortskernen der Donaustadt nach der Errichtung des Regionenrings zu beruhigen. Und nach der aktuellen Verkehrspolitik der SPÖ Wien ist damit auch nicht zu rechnen.

Würde die Stadtautobahn auch gebaut werden, wenn sich Bürgermeister Ludwig dagegen ausspricht?

Gegen den Willen des Wiener Bürgermeisters würde die ASFINAG das Projekt wohl nicht weiter vorantreiben. Allerdings ist Bürgermeister Ludwig einer derjenigen, die das Projekt der Lobauautobahn am vehementesten fordern. Er kündigte sogar an, rechtliche Schritte gegen die Absage des Projekts durch Verkehrsministerin Gewessler einzuleiten. (Link: https://www.derstandard.at/story/2000131563953/verkehrsministerin-gewessler-sagt-milliardenprojekt-lobautunnel-ab)

Fakt ist:
1. Die S1 ist im Bundesstraßengesetz festgeschrieben. Rein formal müsste der Nationalrat sie aus dem Gesetz aktiv entfernen, wenn man sie endgültig kippen möchte.
2. Es stehen im Bundesstraßengesetz viele Straßen, die noch nicht umgesetzt wurden bzw. bei denen es auch nicht wahrscheinlich erscheint, dass die ASFINAG sie jemals angehen wird.
3. Auch bei der Waldviertel-Autobahn gab es bereits erste Planungen. Durch Verhandlungen mit der niederösterreichischen Landeshauptfrau konnte Klimaministerin Gewessler erreichen, dass diese das Projekt fallen ließ. Dies wäre bei der Lobau-Autobahn genauso möglich. Wenn Ludwig erklären würde, dass Wien sie nicht mehr braucht, würde sie de facto auf Eis gelegt werden.

Was ist eigentlich der geplante Autobahnring um Wien? Stammt der nicht aus der Steinzeit?

Der sogenannte Regionenring soll eine großräumige Umfahrung von Wien darstellen. Schwechat S1 – A2 – A21 – A1 – S33 – S5 – A22 – S1-Süßenbrunn.
Was noch fehlt ist die S1-Süßenbrunn – Schwechat (= Lobauautobahn).
Die ersten Ideen zur Querung der Donau auf Höhe der Lobau gab es in den 1970ern. Danach verschwand das Projekt in den Schubladen und tauchte erst wieder Ende der 1990er-Jahre auf.

Seither bekämpfen wir Grüne das Projekt. Die erste Grüne Demo und Kampagne gegen die Lobau-Autobahn fand 1999 statt.

Im Jahr 2025 muss aus unserer Sicht klar sein: Wer etwas gegen die Klimakrise unternehmen will, muss überholte Planungen aus dem letzten Jahrtausend auf ihre Sinnhaftigkeit und Klimatauglichkeit überprüfen. Darum ist es klug und richtig, dass unsere Klimaschutzministerin Leonore Gewessler einen Klima-Check für alle Autobahnprojekte – darunter auch die Lobau-Autobahn – durchgesetzt hat.

Wird uns die Lobau austrocknen?

Diese Frage kann niemand seriös beantworten. Aber natürlich besteht die Gefahr, dass das Durchstoßen der diversen Grundwasserhorizonte durch den Tunnel zur Störung der Grundwasserspiegel führt (Restrisiko). Dies könnte den Grundwasserspiegel der Lobau senken und den Nationalpark Donauauen dadurch nachhaltig schädigen.
Während des Baus des 2015 fertiggestellten Götschkatunnels (S10 Mühlviertler Schnellstraße) kam es zu einer Senkung des Grunwasserspiegels, obwohl in der UVP davor gewarnt wurde. Die Folge waren Ernteausfälle, versiegte Brunnen und die Versandung des Lobersdorfer Baches. Zur Schadensbegrenzung wurde ein Pumpwerk errichtet, das dem Bach nun wieder Wasser zuführt.

Ist das Wiener Trinkwasser in Gefahr?

Der Großteil des Wiener Trinkwassers kommt über die Hochquellwasserleitungen aus den Bergen und ist durch die Lobau-Autobahn nicht in Gefahr. Aber: Während der Bauphase wird Grundwasser gepumpt. Das führt zu einer Grundwasserabsenkung in anderen Gebieten. Betroffen sind dadurch Hausbrunnen in Essling und Groß-Enzersdorf. Betroffen sind auch landwirtschaftliche Betriebe und Gärtnereien in Simmering, die Sorge um ihre Ernten haben. Außerdem gibt es unter der Lobau auch Tiefengrundwässer, die im Falle eines atomaren Notfalls (AKW-Havarie in Nachbarländern) zur sicheren Wasserversorgung der Stadt Wien herangezogen werden könnten.

Was läuft in der Stadtplanung grundsätzlich falsch?

Wien ist in den vergangenen Jahren durch eine mutige Politik mit vielen Grünen Projekten zum internationalen Vorbild geworden: von der Mariahilfer Straße bis zur 365€ Jahreskarte – viele Städte haben nach Wien geschaut.

Heute sind die Vorbilder andere. Paris begrünt die Champs-Élysées und baut Radwege durch die ganze Stadt, Kopenhagen will bis 2025 klimaneutral werden, Barcelona sorgt mit den “Superblocks” für Verkehrsberuhigung und Lebensqualität in den Grätzeln.

Wien hat wieder den Retourgang eingelegt. Unter der roten Verkehrsstadträtin Sima ist der Stellenwert des Parkplatzes wieder stark angestiegen. Eine Reihe von fortschrittlichen Verkehrsprojekten wurde bereits abgesagt oder stark verwässert, wie zum Beispiel die Praterstraße, das Supergrätzl Volkertviertel oder die Umgestaltung und Verkehrsberuhigung der Reinprechtsdorferstraße.

Würde es eine Stadtstraße ohne Lobau-Autobahn geben?

Ohne die Lobau-Autobahn, die wir seit über 2 Jahrzehnten klar ablehnen, macht die Stadtstraße in der vorliegenden Dimension schon überhaupt keinen Sinn.

Es war immer klar, dass die Seestadt mit einer neuen Straße an die Südosttangente angebunden werden sollte, um die bereits bestehenden Straßenanschlüsse Erzherzog-Karl-Straße und Hirschstettner Straße nicht noch mehr zu belasten. Dafür reicht aber auch eine zweispurige Straße, wie es sie häufig in Wien gibt (s. Gumpendorferstraße oder Taborstraße oder viele andere Straßen in den neuen Stadtentwicklungsgebieten).

Kann die Lobauautobahn zu einer Entlastung Wiens vom Lkw-Schwerverkehr führen?

Nur marginal.
Der Anteil des donauquerenden Transitverkehrs auf der Südosttangente ist ziemlich gering (4-8%). Der Verkehr in Wien besteht vor allem aus Ziel-und Quellverkehr, sowie Binnenverkehr. Oder anders gesagt die Wiener*innen selbst, Pendler- und Zulieferverkehr.
Es gibt mit der D2 von Brünn nach Bratislava längst eine hochrangige Umfahrung für den Norden und Osten Wiens für den LKW-Transit.

Durch die Lobau-Autobahn würde von dieser Verbindung sogar zusätzlicher Transitverkehr in den Großraum Wien abgezogen werden.

Wurde die Lobauautobahn in der UVP nicht eh auf ihre Klimaverträglichkeit geprüft?

Nein. In der Umweltverträglichkeits-Prüfung (UVP) werden weder die Auswirkungen eines Projekts auf den CO2-Ausstoß noch der Bodenverbrauch geprüft.
Für die Stadtstraße und die S-1 Spange werden 330.000 m2 Boden versiegelt. Alle von der SPÖ angekündigten Begrünungsmaßnahmen in ganz Wien wie Parks, Bäume und Raum für Urban Gardening stellen im Vergleich dazu kosmetische Maßnahmen dar.

Verkehrliche Effekte der S1 – Szenarienberechnung

Bericht der ExpertInnengruppe zur S1-Donauquerung. 2017. S.16ff.